
INTERVIEW PROF. DR. JOHANNA GOLLNHOFER
durch die Pandemie aber gezwungen, innert
kürzester Zeit einen eigenen Online-Shop aufzuziehen.
Was früher ein netter Zusatznutzen
war, ist heute ein unabdingbarer Hygienefaktor
und entspricht einem Grundbedürfnis der
nächsten Generation. Die will nämlich weder
mit ihrem Bankberater essen gehen noch den
Versicherungsberater zu Hause empfangen,
sondern alles digital erledigen. Insofern kann
man die Krise auch als Chance begreifen: Die
Pandemie hat beschleunigt, was in fünf bis
sechs Jahren sowieso gekommen wäre.
Auf welche Marketingkanäle sollten
KMU dabei setzen?
Das hängt davon ab, wo sich ihre Kundschaft
befindet. Die wichtigste Frage ist immer:
Wie erreiche ich meine Kunden? Liest meine
Zielgruppe die lokale Gewerbezeitung, lohnt
sich ein Inserat dort. Spricht man mit seinem
Produkt eher die jüngere, internationale Generation
an, eignen sich digitale Kanäle besser.
Ich muss da sein, wo meine Kunden sind, und
sie mit gezielten und relevanten Inhalten ansprechen.
Wann macht der Einsatz von sozialen
Medien Sinn?
MARKETING
«Ich muss da
sein, wo meine
Kunden sind,
und sie mit
gezielten und
relevanten
Inhalten
ansprechen.»
Die Konsumentenforscherin rät
KMU, offen für Neues zu sein, sich
an Marktführern zu orientieren
und von ihnen zu lernen.
sogar effizienter und produktiver ist. Digitale
Meetings ersparen Anfahrtswege, das Pendeln
fällt weg, man kann sich die Arbeit flexibler
einteilen. Das alles spart Zeit und schenkt dadurch
Lebensqualität – erfüllt also auch wieder
ein Bedürfnis.
Arbeiten wir künftig alle nur noch zu
Hause?
Das glaube ich nicht. Zum einen fehlt im
Homeoffice der soziale Austausch mit den Kollegen.
Wir alle haben das natürliche Bedürfnis
nach Interaktion mit anderen Menschen, nach
Anerkennung. Das fällt in den eigenen vier
Wänden weg. Es wird spannend werden zu
sehen, wie sich das Thema entwickelt. Denn
Homeoffice kann auch Nachteile haben – wer
viel zu Hause arbeitet, wird bei Beförderungen
eher übersehen. Sobald dieser Mechanismus
zum Tragen kommt, werden wohl viele Leute
doch wieder ins Büro gehen.
Wie müssen sich KMU auf die veränderten
Kundenbedürfnisse einstellen?
Es führt kein Weg an der Digitalisierung
vorbei. In diesem Bereich waren viele KMU bisher
eher stiefmütterlich unterwegs und dachten,
es gehe auch ohne. Die meisten wurden
Meine FIRMA 24 01/2022