
INTERVIEW PROF. DR. JOHANNA GOLLNHOFER
Auch das hängt vom Zielpublikum ab. Entscheidend
für die Wahl des richtigen Kanals
sind die demografischen Merkmale der Kunden.
Facebook wird mittlerweile nur noch von
den über 40-Jährigen genutzt, die jüngere Generation
bevorzugt Snapchat oder Tiktok. Zudem
hängt es sehr vom Marketingziel ab: Will man
den Bekanntheitsgrad seiner Marke steigern,
kann man das sicher auch über Videoclips bei
Tiktok erreichen. Wenn man aber Leads generieren
und Produkte verkaufen möchte, muss
man die Kunden zielgerichteter ansprechen.
Dafür ist insbesondere im B2B-Bereich vor
allem
LinkedIn interessant.
Braucht jedes KMU eine ausgeklügelte
Marketingstrategie, um erfolgreich zu
bleiben?
Ja, meiner Ansicht nach braucht jedes KMU
eine Marketingstrategie, um zu überleben.
Marketing ist im Grunde genommen die Brücke
zwischen einem Unternehmen und dem
Markt und seinen Kunden. Man kann diese
Brücke nicht bauen, wenn man keine Idee davon
hat, was man erreichen will, keine Ziele
definiert und keine Strategie festlegt. Jedes
Unternehmen
sollte in der Lage sein, hervorzuheben,
wodurch sich das eigene Angebot vom
Wettbewerb abhebt und inwiefern es auf ein
Kundenbedürfnis einzahlt.
Wir reden alle von Digitalisierung,
Nachhaltigkeit, New Work. Muss man
als KMU auf diese Megatrends aufspringen?
Auf jeden Fall sollten KMU diese Trends auf
dem Radar haben und beobachten. Auch wenn
sie gar nicht unmittelbar davon betroffen sind,
geht es schlussendlich nur darum, was die Kunden
erwarten. Und was die aus anderen Industrien
lernen, nehmen sie mit. Wenn ich mir von
Zalando eine kostenfreie und bequeme Rücksendung
gewohnt bin, erwarte ich das auch
von anderen Anbietern – fallen da plötzlich
Gebühren für die Retouren an, bestelle ich nie
wieder bei diesem Shop. Kunden unterscheiden
nicht zwischen Grosskonzern und KMU,
es zählt nur das Kundenerlebnis.
Was also raten Sie KMU?
Sie können sich diesen Trends nicht entziehen.
Deshalb seien Sie offen für Neues. Orientieren
Sie sich an den Marktführern und lernen
Sie von ihnen. Picken Sie sich Best-Practice-Beispiele
raus und setzen Sie diese in kleineren
Projekten bei sich selbst um. Einfach mal ausprobieren
– wenn es nicht klappt, haben Sie
nicht viel verloren.
Welcher Absatzkanal zieht besser:
Webshop oder Verkaufslokal?
In einem Laden ist das Kundenerlebnis viel
grösser, weil all unsere fünf Sinne zum Einsatz
kommen: Wir sehen, hören, riechen, schmecken
und betasten das Produkt. Dadurch können
wir eine emotionale Bindung zu einer Marke
aufbauen, was wiederum die Kundenbindung
stärkt. Das schafft ein Webshop nicht, hat aber
natürlich andere Vorteile, wie zum Beispiel die
bequeme Lieferung nach Hause. Ich glaube
deshalb, dass die Zukunft in hybriden Modellen
liegt, wo man zum Beispiel im Showroom
das Kundenerlebnis geniesst, das Produkt vor
Ort bestellt und sich dann nach Hause schicken
lässt. Damit fällt auch das lästige Tütentragen
weg.
Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte
ist Voice Interfaces. In meinem Haushalt
hat sich die Technologie noch
nicht durchgesetzt, gleichzeitig wächst
die nächste Generation damit auf.
Wird das unsere Welt verändern?
Alexa, Siri und Co. sind genau gesagt nur
Schnittstellen, die uns das Leben erleichtern,
indem wir nicht mehr tippen müssen, um etwas
zu suchen. Die Technologie hat sich aber
noch nicht durchgesetzt, weil sie noch in den
Kinderschuhen steckt. Ich glaube aber daran,
dass sie unsere Welt verändern wird. Wie so
oft wird das aber kein Big Bang sein, sondern
schleichend passieren, ohne dass wir es richtig
merken. Es dauert, bis sich solche Technologien
etablieren. Bei den QR-Codes war es ähnlich
– die gibt es schon ewig, aber anfangs hat
keiner sie genutzt. Und heute sind sie überall.
Mit empirischer Marktforschung
assoziiert man normalerweise grosse,
teure Analysen. Kann man das auch als
KMU umsetzen?
Definitiv. Quantitative Online-Befragungen
sind mittlerweile relativ günstig, eine repräsentative
Umfrage kann man mittlerweile für
einige tausend Franken machen. Oder man
wählt den qualitativen Ansatz und macht Interviews
mit den eigenen Kunden, um deren
Bedürfnisse abzuholen. Diese Lösung eignet
sich für KMU besonders gut, da diese nicht so
kostenaufwendig ist. ●
«Marketing ist
im Grunde
genommen
die Brücke
zwischen
einem Unternehmen
und
dem Markt
und seinen
Kunden.»
Kurz und
knapp
Leibspeise
Pasta.
Lieblingsfach in der
Schule
Latein.
Das kann ich nicht gut
Geduldig sein.
Diesen Wunsch erfülle
ich mir noch
Eine Maisonettewohnung.
Grösstes Laster
Ich bin ein privater Workaholic.
Meine Wochenenden sind bis
auf die Minute durchgeplant.
Dabei schalte ich ab
Beim Skifahren.
Ohne gehe ich nicht
aus dem Haus
Smartphone.
Auf diesen sozialen
Kanälen bin ich
LinkedIn.
Dahin würde ich
auswandern
Vancouver.
01/2022 25 Meine FIRMA