
INTERVIEW
Und ich kann das T-Shirt wirklich
in meinen
Kompost werfen?
Absolut. Die gesamte Linie wird durch die unabhängige
Organisation «Cradle-to-Cradle»-zertifiziert.
Dadurch zeichnen sich Produkte aus, die als biologische
Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt
werden können. Dieses Zertifikat müssen wir
jedes Jahr erneuern lassen, wir testen das deshalb
akribisch auf unserem hauseigenen Komposthaufen.
Wer übrigens nicht selbst entsorgen möchte,
kann seine Kleidungsstücke der Linie «100% Nature»
auch gerne in unseren Shops zurückgeben, und wir
übernehmen das Recycling.
Nachhaltige Mode gilt aber nicht gerade als
modern, ihr haftet oft ein wenig Öko-Geruch an.
Dieses Klischee ist überholt. Nachhaltigkeit hat
nichts mit schlechtem Design zu tun, im Gegenteil:
Gerade haben wir zusammen mit dem avantgardistischen
Luxusmodelabel Viktor&Rolf eine zu 100
Prozent biologisch abbaubare Designerlinie kreiert,
und auch unsere französische Luxus-Lingeriemarke
Aubade wird eine vollständig rezyklierbare Bademodelinie
lancieren.
«Nachhaltigkeit ist ein
Trend, dem sich kein Unternehmen
entziehen kann.»
Marken wie Zara und H&M produzieren ihre Kollektionen
mittlerweile innerhalb weniger Wochen.
Ist das ein Trend, den Sie ebenfalls spüren?
Absolut. Die Welt dreht sich schneller, und damit
ändern sich auch die Bedürfnisse unserer Kunden
schneller. Nehmen wir das Beispiel Corona – da stieg
die Nachfrage nach unserer Loungewear innerhalb
kürzester Zeit um ein Vielfaches. Darauf müssen
auch wir schnell und flexibel reagieren können.
Die Fast Fashion wird aber stark kritisiert.
Was wir machen, ist das Gegenteil von Fast Fashion.
Das Nachhaltigste, was es gibt, ist Qualität. Wir produzieren
ausschliesslich hochwertige Produkte mit
hochwertigen Stoffen, die wesentlich länger halten
als andere. Dadurch wird weniger verbraucht und
weniger weggeworfen.
Ihre Produkte werden alle in Sursee entwickelt,
aber nicht in der Schweiz produziert. Ging hier die
Nachhaltigkeit zu Lasten betriebswirtschaftlicher
Überlegungen?
Das hat damit nichts zu tun. Unser Hauptsitz ist
zwar in Sursee, aber wir sind ein internationales
Unternehmen und in 50 Ländern vertreten. Unsere
nachhaltige Kultur wird in all unseren Tochtergesellschaften
gelebt. Wir produzieren den Grossteil
unserer Kollektionen in unserem eigenen Werk in
Ungarn unter den gleichen nachhaltigen und sicheren
Bedingungen wie in der Schweiz.
Sie haben in diesem Jahr den Ethikpreis
gewonnen, was bedeutet das für Sie?
Wir haben uns sehr gefreut. Diesen Preis erhält man
nicht einfach so, und er bestätigt und honoriert unsere
Bemühungen in Sachen Nachhaltigkeit. Das ist
fantastisch für das gesamte Team, das schon seit
Jahren sehr ernsthaft und mit viel Erfolg an diesen
Themen arbeitet.
Sie betonen oft, dass auch eine nachhaltige
Unternehmenskultur wichtig sei.
Das wichtigste Asset unseres Unternehmens ist
nicht die hohe Eigenkapitalquote, sondern die Menschen,
die für uns arbeiten. Wir haben ein grossartiges
Team in allen Divisionen. Sie arbeiten gerne
hier, weil wir eine vernünftige Unternehmenskultur
leben, die auf Nachhaltigkeit, Vertrauen und
einer f lexiblen Arbeitspolitik basiert. Es ist wichtig,
dass sich Mitarbeitende wohl fühlen – schliesslich
verbringen sie mehr Zeit ihres Lebens bei der Arbeit
als zu Hause.
Hilft Ihnen Ihre Vision bei der Talentsuche?
Auf jeden Fall. Gerade Millennials schauen sich sehr
genau an, bei welchem Unternehmen sie arbeiten
wollen, welche Werte im Unternehmen gelebt werden,
wie die kulturellen Rahmenbedingungen sind.
Da spielt Nachhaltigkeit sicher eine Rolle, aber auch
andere Dinge wie internationale Entwicklungsmöglichkeiten.
Die neue Generation hat da eine ganz andere
Sichtweise darauf und ist sehr anspruchsvoll.
Ist nachhaltiges Engagement generell ein
Wettbewerbsvorteil im Markt?
Ich glaube schon. Aber nicht nur Nachhaltigkeit,
auch Qualität ist ein starker Wettbewerbsvorteil, gerade
international – Einkäufer weltweit suchen nach
Unternehmen, die unter nachhaltigen Bedingungen
produzieren. Die Konsumenten erwarten immer
mehr nachhaltige Produkte und üben dadurch einen
Druck auf die gesamte Bekleidungsindustrie aus. Da
wir schon immer nachhaltig produziert haben, ist
das für uns ein Vorteil; auf andere Unternehmen verstärkt
das aber den Druck, sich in diese Richtung zu
entwickeln, und das ist auch gut so.
Wie beurteilen Sie die Schweizer Firmen generell
in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit ist ein Trend, dem sich kein Unternehmen
entziehen kann. Es gibt Branchen, die schon
weiter sind, andere müssen nachziehen. In Zukunft
kann sich keine Firma mehr erlauben, Nachhaltigkeit
nicht in ihre Unternehmensphilosophie zu integrieren.
Das wird nicht funktionieren.
Sie setzen bei Calida seit 2017 verstärkt auch auf
den Onlinehandel.
Das ist richtig. Wollen wir unsere Kunden weiterhin
erreichen, müssen wir da sein, wo sie sind. Und sie
sind nun mal online. Aus dem Grund haben wir die
Entwicklung des E-Commerce früh beschleunigt.
Ist überzeugt,
dass Nachhaltigkeit
Meine FIRMA 32 02/2020
und
Qualität
entscheidende
Wettbewerbsvorteile
sind:
Calida-CEO
Reiner Pichler.